Das Spiel mit der Luft
Er kommt seit Jahren regelmäßig zu mir. Und es spielt sich ebenfalls seit Jahren jedes Mal dasselbe Szenario ab – mit nur kleinen Veränderungen der Details. Zunächst wird er in einen Komplettanzug aus schwarzem Latex gesteckt. Lange Ärmel, lange Beine, Reißverschlüsse an den strategisch sinnvollen Stellen. Handschuhe. Latexsocken. Und, das Wichtigste: die Maske. Es muss eine Gasmaske sein, durch die man durch einen aufgeschraubten Schlauch einatmet und durch ein Ventil in der Maske wieder aus. Je länger der Schlauch, desto schwieriger das Atmen, da die Luft ja durch die gesamte Länge eingesaugt werden muss – und das erfordert etwas Kraft und somit Übung, ansonsten schiebt man irgendwann nur noch die ausgeatmete Luft im oberen Teil hin und her und der Sauerstoff wird schnell knapp. Doch noch ist der Schlauch nicht angebracht. Er legt sich auf die Liege, während ich Reizstrom an ebenfalls strategisch sinnvollen Stellen anbringe. Hier helfen die genannten Reißverschlüsse immens! Ich decke ihn mit einem wunderbar klingenden, dicken und daher schweren Latexlaken zu. Dieses dicke Latex raschelt nicht, es verursacht einen leise donnernden Ton, wenn man es ausbreitet und über jemanden breitet. Es besitzt ein gewisses Gewicht, was angenehm ist, und dann, im Verlauf, wird es natürlich schön warm darunter und außerdem gibt es noch dieses spezielle Gefühl, wenn ich von außen über zwei Schichten Latex streiche... Um noch mehr Enge und Restriktion zu gewährleisten, verschnüre ich die ganze Sache noch. So ist ein Paket entstanden, aus dem ein paar Kabel und oben der maskierte Kopf heraus schauen. An die Maske bringe ich die genannten Schläuche an. Natürlich halte ich sie mit der Hand dabei immer wieder zu, bis er vor Luftentzug japst. Das offene Ende des Schlauchs lässt sich auch wunderbar auf andere Stellen meines Körpers drücken und ihm so die Luft nehmen ... während ich ihm tief durch die langsam beschlagende Scheibe der Sichtöffnung seiner Maske in die Augen blicke. Da wir uns aber schon so lange kennen, reicht es mir letzten Endes, das Geräusch seines Atems zu hören, und ich decke nun auch seinen Kopf mit einem Latextuch ab. Mit dem Reizstrom erzeuge ich Zuckungen, die mir zeigen, ob die Stärke richtig eingestellt ist. Dann kommt das Wichtigste. Durch einen Schlauch zu atmen, kann schon anspruchsvoll genug sein. Doch ist der Durchmesser der Öffnung immer noch recht groß, so dass reichlich Luft eingeatmet werden kann. Ich kann das Ende des Schlauches aber auch an eine Flasche schrauben, die bis auf ein kleines Loch verschlossen ist. In diesem Loch steckt ein dünnes Röhrchen. Nun atmet er also nur noch durch dieses Röhrchen komplett frische Luft ein. Die Idee der Schlauchverengung ist klar: sie erschwert das Atmen und schränkt die Sauerstoffzufuhr noch mehr ein. Wozu aber eine Flasche? In diese Flasche fülle ich meinen Natursekt. Der Duft – und die Pheromone - wirken stimulierend. Nun blubbert die eingeatmete Luft auf ihrem Weg zu seiner Nase zunächst einmal durch die gefüllte Flasche. Von außen wirkt das ganze wie eine blubbernde Latexmaschinerie. Er ist eigentlich völlig zu einem Teil meines Aufbaus geworden – dem Teil, der nun für die rhythmische Raumbeschallung zuständig ist, außerdem dazu, bei Aufdrehen des Reizstromgerätes zu zucken. Ich sehe mir das eine Weile an und freue mich über meine Installation. Ab und zu halte ich meinen Finger auf das Ende des Röhrchens, der einzigen Verbindungsstelle zwischen dem, was unter den Latexschichten passiert und der Außenwelt. Ich mag es, wenn er diese nach Luft ringenden Geräusche macht, fast, als hätte er sich kurz verschluckt. Dann klettere ich oben auf die Liege und füge dem Ganzen noch das Gewicht meines Körpers hinzu. Dadurch wird das Atmen natürlich auch nicht einfacher... Dafür spüre ich den gut verpackten, warmen Körper unter mir, der mit nichts anderem beschäftigt ist, als Luft zu holen, was zunehmend anstrengender wird. Und stetig geiler. Atmen kann also durchaus eine Hauptbeschäftigung werden. Die Konzentration auf das Atmen ist außerdem ein sehr beliebter Fokus in der Praxis der Meditation. Was hier letztlich passiert, das ist eine gummierte, verschlauchte und verschnürte Version einer Achtsamkeits- oder Mindfulness-Übung! Mit einer Domina oben drauf, der du, hier wirklich einmal im wahrsten Sinne des Wortes, auf Gedeih und Verderb ausgeliefert bist – und zwar kontrolliere ich dich über die absolute Grundlage deines Daseins: deinen Atem. Traust du dich? (Achtung! Dies ist eine sehr fortgeschrittene Version eines Spiels für Fortgeschrittene, die einiges Vertrauen und viel Erfahrung auf beiden Seiten voraussetzt. Es lässt sich aber auch in anderen, abgewandelten und vereinfachten Versionen spielen.)
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