Dem Wort Feminismus hing bereits seit seinem Entstehen der Geruch von Radikalität an. Daher griff man auf Ausweichterminologie wie Frauenrechtsbewegung und Frauenemanzipation zurück, wobei letztere mittlerweile wie ein Pleonasmus klingt. Der Begriff Feministin spaltet. Gern wird davon Abstand gehalten. Er wird auch als eine Art Schimpfwort verwendet, und sehr häufig wird er ganz einfach falsch verstanden. In dem Wort Feministin schimpft das Wort „Emanze“ mit, wohinter sich eine männerhassende und -verschlingende, extra hässlich machende und jegliche Kulturgüter von Hackenschuhen über Lippenstift bis hin zu Intimrasur verpönende Drachengestalt verbergen soll. Feminismus ist aufgrund seiner Begrifflichkeit dazu verurteilt, eine Richtung darzustellen und nicht einen Zielzustand, obwohl der der Definition innewohnt: „Die Vision des Feminismus ist nicht eine weibliche Zukunft. Es ist eine menschliche Zukunft. Ohne Rollenzwänge, ohne Macht- und Gewaltverhältnisse, ohne Männerbündelei und Weiblichkeitswahn“ (Johanna Dohnal, 2004). Wäre das aber nicht schlicht „Gleichberechtigung“? Möglich. Und bis es zu dieser kommt, nutzen wir doch ruhig dieses Treibende, Aufrührerische, Wandel Anstrebende und – warum denn eigentlich nicht? - Radikale, das das Wort Feminismus verspricht und fordert! Die Frauenbewegung bewegt seit Jahrzehnten viele und vieles. Erfolge konnten verzeichnet werden. Und gleichwohl steht es um das Wohl der gleichberechtigten Gesellschaft noch nicht so gut, wie es wünschenswert wäre. Daher braucht es nach wie vor den Blick des Feminismus, den Drang, weibliche Belange vorwärts zu treiben. Denn das Patriarchat ist träge und zäh und tief in Köpfen, Konventionen und dem Konservatismus verankert, und das dauert. Außerdem ist da die Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis. Und der ständige Wandel. Es werden Teilziele erreicht. Ein Grund zur Freude, aber kein Anlass aufzuhören mit dem Drängen und Treiben. Doch die Leit- und auch die Feindbilder müssen auf dem Weg immer wieder aufs Neue überprüft werden. Wir haben lernen müssen, dass auch Emanzen unfeministisch werden können, wenn sie ihr Verfallsdatum nicht überprüfen und ihrem Blickwinkel kein Update gönnen. Zu den Erfolgen des Feminismus zählen neben der Einführung des Frauenwahlrechts und der politischen und rechtlichen Gleichstellung der Frau auch die sexuelle Selbstbestimmung und die Emanzipation von vorgeschriebenen Lebensläufen und Rollenbildern, so Wikipedia. Obwohl man über die faktische Gleichstellung debattieren kann, die sexuelle Selbstbestimmung immer noch perfektionierbar ist und althergebrachte Rollenverteilungen einerseits nicht vollständig überholt sind und andererseits dies auch nicht zwingend sein müssen, da es ja erstrangig um die Loslösung des Zwanges dazu geht, was auch beinhaltet, sich sogar bewusst für eine traditionelle Rolle entscheiden zu können, ist der Feminismus in der Tat nicht erfolglos geblieben über all die Zeit hinweg. Und ist dennoch immer noch nicht überholt oder als erledigt anzusehen. Was ihm außerdem seine Berechtigung vermacht. Von einer Modeerscheinung oder einem vorübergehenden Trend kann nicht die Rede sein. Wo aber befinden wir uns hier und jetzt? „Der soziale Fortschritt erfolgt aufgrund der Fortschritte der Befreiung der Frau“ - der Grad der Befreiung der Frau dient als Maßstab für die gesellschaftliche Entwicklung. (Charles Fourier, Sozialphilosoph, 1772-1837) Wir befinden uns stetig und nach jedem Teilerfolg auch wieder auf einem Punkt Null. Einem Punkt, an dem wir unsere Perspektive, unseren Blickwinkel, unseren Ist-Zustand und unsere Visionen, unseren neuen Soll-Zustand neu justieren müssen. Was bedeutet „Befreiung der Frau“? Und was bedeutet es nicht? Wo wir uns einst von vorgeschriebenen Schönheitsidealen trennen mussten, mit der Forderung, auch Hosen und flache Schuhe tragen zu dürfen, wie es uns beliebt, wo ein wichtiger Schritt war, Abstand von dem zu bekommen, was Symbole der Unterdrückung waren, so sind wir mittlerweile an einem Punkt, wo wir uns auch wieder dieser Symbole bemächtigen können – sofern wir das möchten. Aus einem gesellschaftlichen Druck wurde eine Bewegung, die zum Ziel hatte, kollektiv die Frau vom Zwang zu befreien, damit sie individuell ihre Wahl und Entscheidung treffen kann. Kein Zwang, eine Hausfrau und Mutter zu werden, sondern die Entscheidungsfreiheit, diese Rollen abzulehnen – oder für sich zu wählen. Nicht die Mutterrolle ist das Problem, sondern wer sie bestimmt. Genauso verhält es sich mit jeglichen anderen Entscheidungen bezüglich des individuellen Lebenskonzepts mit all seinen Details. Die angestrebte Freiheit besteht nicht darin, ins Gegenteil zu kippen und nun das Gegenteil und nichts als dieses zu propagieren. Das kann allerhöchstens ein Zwischenschritt sein. Die ideale Freiheit besteht darin, die Wahl zwischen dem Ding und seinem Gegenteil zu haben und sie fällen zu können, ohne für die gefällte Entscheidung verurteilt zu werden. Der feministische Anspruch muss sein, Frauen in jedem Falle genau diese Wahl zu lassen und sie in keinem Falle für das Nutzen ihrer Freiheit zu diskriminieren, auch und gerade bezüglich ihrer Berufswahl. Sexarbeit ist Arbeit. Sexarbeit ist eine Dienstleistung gegen Geld. Entgegen mancher Behauptungen ist es keine Veräußerung des Körpers als Ware, denn dafür gibt es den Begriff des Menschenhandels (oder, wenn es sich um Teile des menschlichen Körpers handelt, den des Organhandels). Ja, es gibt auch Zwangsprostitution. Aber die ist niemals gleichzustellen mit Sexarbeit. Sie ist vielmehr gleichzustellen mit jeder anderen Art der Zwangsarbeit. Und ja, es gibt Unterschiede zwischen verschiedenen Arten von Arbeit. Zwischen verschiedenen Dienstleistungen. Es gibt sogar Unterschiede innerhalb der verschiedenen Tätigkeitsfelder von Sexarbeit. Und genau diese Unterschiede sind der Grund, warum wir eine Wahl haben müssen. Für die Möglichkeit zur Wahl hat die Frauenbewegung gekämpft. Wir können und sollten uns freuen, dass es für Mädchen und Frauen nicht mehr nur einen akzeptablen Werdegang gibt, sondern eine Vielzahl an Möglichkeiten, sich selbst zu entfalten und die Gesellschaft mitzuprägen. Frauen können heute Berufe ergreifen, die noch vor wenigen Jahrzehnten ausschließlich Männern vorbehalten waren. Frauen können Beruf und Familie verbinden. Sie können sich für eins von beiden entscheiden, oder erst für das eine und dann für das andere. Manchmal werden sie dennoch wieder von konservativen Erwartungen und den noch immer bestehenden patriarchalischen Mechanismen zurückgehalten oder zumindest verunsichert. Es ist längst nicht perfekt. Deshalb ist der Feminismus nach wie vor aktuell und notwendig, und besonders wichtig ist es, ihn zu überprüfen, gerade wenn es um Rollen und Berufe geht, die traditionell als „unfeministisch“ betrachtet wurden. „Unfeministisch“ ist aber lediglich, wer Frauen abzusprechen versucht, den Beruf oder die Rolle ihrer Wahl auszuüben oder sie für ihre Wahl zu verurteilen und zu diskriminieren.
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